Vorurteile

Vorwort

Es ist leichter, einen Atomkern zu spalten als ein Vorurteil. — Albert Einstein

Wie der Untertitel “Die zwei Seiten der IT” sagt, werde ich mich in diesem Blog nicht nur mit IT-Themen beschäftigen. Heute sind mal wieder die Menschen dran. Und um der Klarheit Willen werde ich Dinge klar und deutlich ansprechen, “explicit language”, wie es im angelsächsischen Raum heißt. Selbstverständlich will ich niemanden beleidigen, und um dem wiedererstarkenden Trend zur zwanghaften “political correctness” entgegenzuwirken, werde ich im wesentlichen bei der männlichen Form bleiben. Sicher gibt es neben den Arschlöchern auch Arschlöcherinnen. Aber egal, lies den Artikel einfach bis zum Ende, bevor du dir eine Meinung darüber bildest.

Vorgeschichte

Ich fahre fast jeden Tag einige Kilometer durch die Stadt und auf der Autobahn. In so einer Situation hat man viel Zeit zum Nachdenken, und solange Tesla und andere Hersteller es nicht schaffen, ihre Autopiloten wirklich sicher zu machen, wird das wohl auch noch einige Zeit so bleiben. Ich gebe zu, es wäre ein Traum, sich ins Auto zu setzen, dem Bordcomputer das Ziel einzugeben und erst kurz vor der Ankunft wieder geweckt zu werden. Was könnte man mit dieser Zeit nicht alles Positives anfangen!

Ich hatte mich schon länger gefragt, wo eigentlich das Vorurteil “Mercedesfahrer sind Arschlöcher” her kommt und vor allem, ob es sich durch Fakten belegen lässt. Denn ihr werdet mir sicher zustimmen: Keiner von uns hat wirklich verlässliche Zahlen über die Frage, wie oft ein Mercedesfahrer sich wie ein Arschloch verhalten hat (A-Fahrer) und wie oft er oder sie einfach nur nett und korrekt war (N-Fahrer). Die Nexar-App (Bericht auf Heise.de) könnte hier vielleicht Abhilfe schaffen, doch eigene Beobachtungen sind wohl datenschutzrechtlich eher unbedenklich. Wie heißt es so schön? “Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.” Aus diesem Grunde habe ich vor längerem mal einen Selbstversuch gewagt.

Selbsterkenntnis

Es ist wirklich schwer, sich von so einer “offensichtlichen Wahrheit” zu lösen und wenigstens den Standpunkt eines neutralen Beobachters einzunehmen. Es dauerte wohl einige Monate, bis ich soweit war. Ich begann damit, die Autos mit dem Stern etwas genauer zu beobachten. Wann verhalten sie sich wie, und vor allem: Wie oft tun sie dieses oder jenes? Ich beschränkte mich dabei auf zwei einfach wahrzunehmende Situationen:

  • Vorfahrtsregeln
  • Überholmanöver

Da ich selbst bei diesen Beobachtungen am Steuer saß, habe ich keine exakten Aufzeichnungen darüber führen können. Immerhin hat mich die intensive Beobachtung damals eines gelehrt: Der Anteil an A-Fahrern ist deutlich geringer als der Anteil von N-Fahrern. Das hat mich dann doch überrascht. Um so intensiver dachte ich darüber nach, wo denn dieses Vorurteil mit dem Qualitätsmerkmal “das weiß doch jeder” eigentlich her kommt. Schließlich kenne ich dieses vermeintliche Naturgesetz über die Mercedesfahrer seit meiner Kindheit.

Da ich an dieser Stelle direkt nicht weiterkam, überlegte ich, wie denn üblicherweise ein Meinungsbild entsteht. Da gibt es vielleicht jemanden, der klar und deutlich seine Meinung bekundet. Er spricht intensiv, belegt die Meinung durch Fakten oder Beobachtungen, und irgendwann glaubt man ihm (oder ihr). Wenn diese Person eine anerkannte Persönlichkeit ist, wird sich ihre Meinung vermutlich schnell verbreiten. Und nach dem allseits bekannten Stille-Post-Prinzip wird irgendwann jemand denken “das hört man ja dauernd, da wird wohl was dran sein”, und schon ist das Vorurteil in der Welt.

Vielleicht hat diese namenlose Person auch einfach nur ein paar mal hintereinander eine bestimmte Situation erlebt. So etwas festigt sich im Gedächtnis und es entsteht schnell eine Regel wie “Radfahrer sind Arschlöcher”. Man fühlt sich dadurch bestätigt, dass der Radfahrer ohne Nummernschild Regeln erheblich entspannter übertreten kann, weil eine Anzeige sich eh nicht lohnt.

Selbstversuch

Wenn das so einfach ist, dachte ich, dann baue ich mir mein Vorurteil einfach mal selbst zusammen. Der erste entscheidende Vorfall nach diesem Gedanken bestand darin, dass mir ein Skoda-Fahrer die Vorfahrt nahm. Fortan beschloss ich “Skoda-Fahrer sind Arschlöcher” und bedachte dementsprechend jeden Skoda mit besonderer Aufmerksamkeit. Und wie durch ein Wunder schien sich meine “Meinung” zu bestätigen. Jeder entsprechende auch nur ansatzweise kritische Vorfall mit einem Skoda bestätigte und festigte das “Faktum”. Interessanterweise traten die Mercedesfahrer so sehr in den Hintergrund, dass ich mich noch nicht mal daran erinnern konnte, in letzter Zeit überhaupt einen gesehen zu haben.

Wenn das so einfach ist, noch ein Versuch. Baunatal (mit dem Autokennzeichen KS wie Kassel) liegt in unmittelbarer Nähe von Kassel. Dort hat die Firma VW einen großen Standort. Offenbar haben deren Firmenwagen alle ein Wolfsburger Kennzeichen, was erklärt, wieso es so viele WOBs im Raum KS gibt. Ich konzentrierte mich also auf die Fahrzeuge mit WOB-Kennzeichen. Wenig überraschend schaffte ich es in kürzester Zeit, die Skodas zu vergessen. Die neue Regel lautete “Fahrer aus Wolfsburg sind Arschlöcher”. Es war wirklich relativ einfach.

As time goes by

Das ist jetzt schon einige Jahre her, und ich habe bezüglich der genannten Zielgruppen wieder zu einem entspannten Verhalten zurückgefunden. Vermutlich hat sich kaum einer von diesen wirklich fehlerhaft verhalten. Wie so oft sind es vielleicht nur ganz wenige Schlüsselreize, die solche Gedanken auslösen, und zu schnell neigen wir Menschen dazu, Einzelereignisse zum Gesamtbild zu machen.

Und inzwischen frage ich mich auch, ob es da vielleicht eine Parallele zur aktuellen Flüchtlingsthematik gibt.

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1 Kommentar

  1. Ich mag Albert Einstein :-)

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