Agile Kaffeekassenkostenplanung

Letzte Änderung am 11. März 2012 by Christoph Jüngling

Die Preiskalkulation einer typischen Kaffeekasse im Büro und die damit einhergehende dynamische Anpassung des Tassenpreises entspricht sehr gut der Velocity-basierten Planung im Scrum. Sind es auf der einen Seite die Größe der Kaffeetassen und der Unsicherheitsfaktor vergessener Striche, so hat man dort die Storypoints der bisherigen Sprints in Verbindung mit den von außen eingreifenden Hemmnissen.

In diesem Artikel

Kaffeekasse

Die für die Kaffeekasse verantwortliche Person im Büro hat mit einer ganz ähnlichen Aufgabenstellung wie im Projektgeschäft zu tun: Mittels bereitstehender Ressourcen (Geld in der Kasse) soll ein Ziel (permanente Kaffeeversorgung) erreicht werden. Dabei gibt es gewisse Einflussfaktoren von außen, die die planende Person nicht direkt beeinflussen kann. Sie kann nur darauf reagieren. Betrachten wir einige dieser Faktoren näher:

  • Preis für Kaffee, Milch und Zucker
  • Größe der verwendeten Tassen
  • Füllhöhe der Tassen
  • Varianten “mit Milch” und “mit Zucker”
  • Anzahl der “vergessenen” Striche auf der Liste
  • Anzahl der Urlaubs- und Feiertage
  • Krankenstand der Mitarbeiter

Diese Faktoren werden einerseits den erforderlichen Aufwand (Geld) für den Nachkauf des Verbrauchsmaterials (Kaffee) beeinflussen, andererseits den Verbrauch dieses Materials über die Zeit. Im Idealfall ergibt sich langfristig ein Gleichgewicht zwischen dem finanziellem Bedarf für die Neubeschaffung und den Einnahmen. Denn weder ist es das Ziel, Gewinn zu machen, noch soll irgendwann nur noch weniger Kaffee gekauft werden als man benötigt.

Steigt zum Beispiel bei gleichbleibendem Verbrauch der Kaffeepreis, so muss alsbald auch der Verkaufspreis entsprechend angepasst werden, um wieder kostendeckend zu arbeiten.

Der Verkaufspreis wird üblicherweise jedoch nicht direkt erhoben, sondern es wird zunächst eine Strichliste geführt. Pro Tasse ein Strich, so lautet die Regel. Was ein Strich (und somit eine Tasse) dann kostet, steht fairerweise auf der Liste, so dass man als Verbraucher zumindest einen Anhaltspunkt für die Kosten hat.

Um nun die sehr dynamischen Größen “Verbrauch”, “Einnahmen” und “Ausgaben” überhaupt vergleichen zu können, wird man vermutlich ab und zu mal einen Kassensturz machen. Da es allerdings nicht zu erwarten ist, dass die genaue Füllmenge einer Tasse sowie der Verbrauch an Milch und Zucker für jeden Einzelfall erfasst wird, können diese Mengen nur über den Gesamtverbrauch pro Zeit ermittelt werden. Aus dem Gesamtverbrauch von Kaffee, Milch und Zucker, deren Einkaufspreisen und den gezählten Strichen lässt sich also ein Kostenfaktor in Euro pro Strich ermitteln.

Gemäß dem Prinzip “Agenda gut, Regularia besser” nehmen wir einmal an, dass diese Überprüfung monatlich erfolgen wird. Stellt die verwaltende Person dabei fest, dass weniger Geld vorhanden ist als für den Nachkauf des verbrauchten Materials erforderlich wäre, dann muss der Verkaufspreis in Euro pro Strich angepasst werden.

Aufgrund der vergangenen Kostenentwicklung für 1 kg Kaffee könnte mittels einer einfachen Excel-Tabelle ein Diagramm gezeichnet werden, dem dann eine Trendlinie hinzugefügt wird. So lässt sich eine Prognose des voraussichtlichen Kaffeepreises in näherer Zukunft abgeben, auf deren Grundlage in Verbindung mit den obigen durchschnittlichen Verbrauchsdaten dann der neue Preis in Euro pro Strich festgelegt wird.

Was geschah also? Es wurde aus eventuellen Fehlern (besser: Abweichungen vom Plan) der Vergangenheit gelernt und eine Festlegung für die Zukunft getroffen, die diese Fehler nicht nur korrigiert, sondern auch einen gewissen Puffer enthält. Man hat auf die äußeren Einflüsse reagiert und passt die neue Planung entsprechend dieser Erfahrungen an.


Scrum

Ein wesentlicher Teil der Planung in Scrum wird über die sogenannte Velocity vorgenommen. Ein Scrum-Team schätzt für jede Aufgabe vor Beginn eines Sprints (also im Sprint Planning Meeting) den relativen Komplexitätsgrad einer Aufgabe im Verhältnis zu den anderen Aufgaben. Diese Schätzung wird in Form von “Story Points” (nicht in Stunden oder Tagen!) durchgeführt. Die Velocity eines Sprints ist dann die Summe der Story Points aller vollständig erledigten Aufgaben am Ende des Sprints.

Folglich ist die Einheit der Velocity also nicht Stunden pro Aufgabe und auch nicht Stunden pro Sprint, sondern Story Points pro Sprint.

Ebenfalls geschätzt wird die voraussichtliche Anzahl der Story Points, die in dem anstehenden Sprint geleistet werden können. Sollte das Team bereits einige Sprints absolviert haben, kann die voraussichtliche Velocity auf der Grundlage der vorangegangenen Sprints ermittelt werden.

Wird nun zum Beispiel festgestellt, dass man zwar mit 100 Story Points für den vergangenen Sprint geplant, aber nur 80 geschafft hat, so muss die angenommene Velocity für den nächsten Sprint angemessen korrigiert werden. Nehmen wir als Beispiel an, dass wir den zweiten Sprint dann mit 80 Story Points angehen anstatt mit den ursprünglichen 100.

Was haben wir also getan? Wir haben aus der Erfahrung der Vergangenheit gelernt, dass wir etwas langsamer waren als erhofft, und passen dementsprechend die Planung für die Zukunft an.


Fazit

Die Herangehensweise beim Führen einer Kaffeekasse hat durchaus gewisse Ähnlichkeiten mit dem agilen Projektmanagement. In beiden Fällen ist es notwendig, gewisse äußere Einflussfaktoren zu akzeptieren. Da man diese nicht beeinflussen kann, bleibt nichts anderes übrig als auf sie zu reagieren und ihre durchschnittliche Auftrittswahrscheinlichkeit sowie ihre Auswirkungen auf die Projektplanung zu berücksichtigen.

Im Falle der Kaffeekasse erfolgt das über die Anpassung des Verkaufspreises.

Im agilen Projektgeschäft wird die Anzahl der voraussichtlich im nächsten Sprint erzielbaren Story Points auf der Grundlage der bisher geschafften Punkte jedesmal neu festgelegt.

Da im Laufe der Zeit eine immer größere Basis an statistischen Daten zur Verfügung steht, wird die Abschätzung und damit die Planung innerhalb gewisser Grenzen immer besser (d.h. genauer) werden.

Jede/r Verwalter/in einer Kaffeekasse wird sich unbewusst darüber im Klaren sein, dass der Preis für Kaffee, Milch und Zucker sich zwar in Zukunft ändern kann (und erfahrungsgemäß auch ändern wird). Er/sie wird jedoch ebenso sicher sein, dass deren absolute Höhe nur schwer abzuschätzen ist. Auch ein/e Projektmanager/in wird zumindest vor sich selbst sicherlich zugeben, dass eine Planung eben doch nur eine Planung ist. Sie mag stimmen, aber genausogut kann sie aufgrund äußerer Einflüsse vollständig den Bach heruntergehen. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit können helfen, die Planung immer zutreffender zu machen. Hundertprozentig stimmen wird sie jedoch vermutlich nie.

Kaffeekasse und Projektmanagement werden also auch in Zukunft mit ständigen Anpassungen leben müssen.

Und wann machen Sie die nächste Retrospektive?

Ähnliche Artikel:

2 Kommentare

  1. Leider ist der Link inzwischen tot. Ich werde Torben mal fragen, wo er den Artikel hingetan hat.

  2. Torben Müller hat eine interessante Entdeckung von Kanban im wirklichen Leben gemacht. Sein Artikel über “Kanban im Bierpilz” stellt Kanban sehr gut dar. Im doppelten Sinne also ein Durchflusssystem :-)

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

3 × 5 =