Ein heißer Sommer

Letzte Änderung am 17. Mai 2023 by Christoph Jüngling

Mann von hinten gesehen mit hinter dem Kopf verschränkten Armen. Er steht vor einer Tafel mit zahlreichen mathematischen Formeln.Die einfache Frage “was ist das Gegenteil zu xyz” (egal welche Aussage) bringt viele Menschen dazu, auf die Schnelle eine falsche Antwort zu geben. Aber mit der Logik ist das nicht immer ganz so einfach.

In meiner Kindheit in den 60ern (und auch danach) gab es auch gelegentlich so richtig heiße Sommer, das ist nicht erst in den letzten Jahren so gewesen. Genauso gab es auch schöne weiße Weihnachten, aber vielleicht ist beides auch nur dank selektiver Wahrnehmung  im Gedächtnis geblieben, weil es einfach von mir als schön empfunden wurde.

Damals fuhr manchmal in solchen heißen Sommern der Wasserwagen durch die Kasseler Straßen. Aber nicht etwa, um den Menschen Wasser zu bringen, sondern um die Straße zu benässen. Das Wasser kühlte sofort den Asphalt, und die  Verdunstungskälte sorgte für weitere Kühlung. Denn andernfalls wäre er wieder zähflüssig geworden und der Straßenbelag hätte ersetzt werden müssen. Da war es wohl billiger, Wasser zu “verschwenden”, zumal man damals noch nicht von Wasserknappheit geredet hat.

Lektion

Aus dieser Zeit stammte meine erste bewusste Lektion über Boole’sche Algebra, auch wenn mir der Begriff damals noch nicht bekannt war. Umgangssprachlicher formuliert ging es um die Frage, was logisches Denken ist, konkret wie man eine logische Aussage ins Gegenteil verkehrt (negiert).

Mein Vater stellte mir die Frage, wie denn das Gegenteil zu “wenn es geregnet hat, ist die Straße nass” lautet. Natürlich sagte ich sofort “wenn es nicht geregnet hat, ist die Straße nicht nass”.

“Nein”, sagte er, “das stimmt nicht. Denk nochmal nach, stell dir die Situation bildlich vor!”

Wir gingen hinaus auf die Straße, und er fragte: “Was kann alles passieren, damit die Straße nass ist?”

“Dass es regnet natürlich”, sagte ich sofort. “Ja, stimmt, aber was sonst noch?”

“Jemand könnte drauf gepinkelt haben”, sagte ich mit einem frechen Grinsen. “Richtig”, sagte mein Vater, “oder eben der Wasserwagen, der gestern hier durchgefahren ist. Danach war die Straße auch nass, obwohl es nicht geregnet hatte.”

Es war klar, die Aussage “wenn es nicht geregnet hat, ist die Straße nicht nass” konnte also nicht richtig sein, wenn sich so einfach zwei Fälle finden lassen, die das Gegenteil beweisen. Schon ein Fall hätte gereicht!

“Wenn a, dann b” nennt man in der Mathematik eine “Implikation”. Anders ausgedrückt kann man auch sagen “a impliziert b” oder “a führt zu b” oder eben “wenn a dann b”. Und das Gegenteil heißt in der Boole’schen Algebra “Negation”. Die Buchstaben “a” und “b” stehen hierbei stellvertretend für zwei beliebige Aussagen oder Vorgänge.

Negation

Wie also lautet die logische Negation einer Implikation? Mathematisch geschrieben lautet die Aussage “a ⇒ b”, und ihre Negation “¬b ⇒ ¬a”.

Wir müssen beim Negieren auch das “Wenn” und das “Dann” umkehren. Aus “wenn es geregnet hat, dann ist die Straße nass” wird im Umkehrschluss also “wenn die Straße nicht nass ist, dann hat es nicht geregnet”.

“Aber was ist nun mit der Straße, wenn es nicht geregnet hat”, wollte ich noch wissen. “Tja”, sagte mein Vater, “da kann man nichts zu sagen.” Denn das lässt sich aus der ursprünglichen Aussage nicht ableiten, sie sagt schließlich nur etwas darüber, was passiert, wenn es geregnet hat.

Implikation

Wenn also mal wieder jemand meint, euch mit “logischem Denken” beeindrucken zu können, denkt selbst erst mal kurz nach. Denn nicht immer hält das, was man euch als Logik verkaufen möchte, einer näheren Überprüfung stand. Die von den sogenannten “Querdenkern” (das war mal ein durchaus positiver Begriff!) gern benutzte Aufforderung “denke selbst” ist schließlich keineswegs falsch.

Updates: Einiges sprachlich etwas klarer formuliert.

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