Letzte Änderung am 24. Juli 2023 by Christoph Jüngling
Fast immer, wenn ich in eine Bar gehe, fasziniert mich die besondere Atmosphäre. Manchmal ist es ruhig, manchmal aber auch so laut, dass man sich kaum unterhalten kann. Die ruhigen Stunden mag ich am liebsten. Dann sitze ich manchmal einfach nur da und genieße es: Die Bar, die Ruhe, und meinen Cocktail. Es ist wie eine eigene Welt, man lässt alles zurück, was draußen einmal wichtig war.
Als ich das erste mal Charles Schumanns “Barbuch” aufschlug, sprang mir der erste Absatz des Vorwortes regelrecht in’s Auge. Es sprach mir aus der Seele, was Schumann dort schilderte, wie er seinen ersten Barbesuch empfand. Auch wenn meine Bars in der Regel Hotelbars sind, unterscheiden sie sich doch oft deutlich von dem Flair des restlichen Hotels. Manche sind schummerig, wo die Lobby hell erleuchtet ist, andere versuchen die Beleuchtung auf ein neues Niveau zu heben. Manche sind gemütlich, andere technisch.
Die Bar im Hotel Strudlhof in Wien jedoch unterschied sich dermaßen krass vom restlichen Hotel, dass ich fast sofort rückwärts wieder heraus stolperte — und das ohne einen einzigen Drink! Eine wahrhaft furchtbare Atmosphäre, kalt, wie eine Bahnhofshalle, und so hell erleuchtet, dass ich wirklich keinerlei Motivation hatte, mich hier länger als notwendig aufzuhalten. Und das in einem Hotel, das man gut und gerne einer höheren Klasse zugehörig betrachten konnte. So eine Enttäuschung!
Aber es gibt viele Bars, die dem Gast ein anspruchsvolles Ambiente bieten. Die Bar des Arvena Park in Nürnberg gehört definitiv dazu. Ich bin etwa 1-2mal im Jahr zu einer Weiterbildung dort, und die freie Zeit an den Abenden wird natürlich genutzt, um zu trinken und mit den Kollegen zu schwatzen. Die beachtliche Getränkeauswahl ermöglicht es, immer wieder etwas neues zu probieren, sei es einen Bourbon (normalerweise stehe ich auf Scotch Single Malts), oder einen guten Rum. Ja, auch bei Rum gibt es große Unterschiede, und er eignet sich bei weitem nicht nur zum Mixen mit Cola oder in einem Grog.
Auch die Bar im Hotel Am Moosbach in München ist zugleich das Restaurant, und sie ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Im Keller gelegen, mit rustikalen Möbeln bestückt und einer gemütlichen Atmosphäre, lasse ich mir gern ein König Ludwig Dunkel oder ein Kellerbier servieren. Während ich diese Story vervollständige, blicke ich fasziniert auf die leicht erhöht liegende Bar.
Schon im ersten Moment fallen mir die zahlreichen Flaschen auf, die in der hängenden Konstruktion in Griffweite über der Theke stehen. Und sie sind bei weitem keine Deko. Teils voll, teils fast leer stehen sie dort und warten auf ihren Einsatz. Der Aperol steht hier einträchtig neben einem Martini Rosso, vielleicht wegen der Farbe. Etwas weiter sehe ich einen Southern Comfort mit einer Flasche Kahlua kuscheln, der Cointreau mit seinem kantigen Körper scheint sich nicht zu trauen, ihnen näher zu kommen. Auch ein Cynar drückt sich verschämt an die Reeling. Der Pitu hält Distanz. Doch der Pernod! Der große Pernod! Er überragt sie alle!
Aber damit nicht genug. Im hinteren Teil befinden sich Gläser über Gläser in einem Wandregal. Eine Armee von Gläsern wartet hier auf ihren Einsatz. Doch sie sind Einzelkämpfer, die Seals unter dem Geschirr. Jeder braucht sie, niemand redet über sie, und kaum einer kennt ihre Namen. Was kümmert mich das Glas, sagt sich der Gast, das Getränk ist mein Begehr!
Zwischen Theke und diesem Regal stehen weitere Flaschen in einem Raumteiler. Hier stehen die Cognacs und die Whiskys, deren Namen ich teilweise noch nie gehört habe. Sie haben keinerlei Berührungsängste. Nahtlos geht die Reihe von den Franzosen zu den Schotten über, erstaunlich, bedenkt man die Geschichte der Völker, die sie erfunden haben.
Während ein Barkeeper die frisch aus der Spülmaschine gekommenen Gläser trocknet, überlege ich, ob ich mir noch ein Kellerbier genehmige. Es ist gemütlich hier, und ich bin gerade so im Fluss mit meiner Geschichte. Der Barkeeper schaut fragend auf meine leeres Glas, ich nicke. Kaum eine Minute später steht ein volles Glas vor mir. Ich nippe daran, genieße die herrliche Kühle. Und ich schaue mir das Glas genauer an. Es ist unspektakulär, fast zylindrisch, und irgendwie langweilig. Doch es ist wichtig, denn ohne das Glas würde das köstliche Kellerbier sich flugs auf dem Tisch verteilen.
Ein Hoch auf die Gläser, die heimlichen Stars der Bar!
1 Kommentar
Schön geschrieben. Ja, eine nette Bar ist hin und wieder nötig ;-)