Wochenschau 19/2020

Letzte Änderung am 24. Februar 2022 by Christoph Jüngling

Woche für Woche finden sich interessante Themen im Netz, die ich hier jeweils kurz anreißen und verlinken will. Nur das, was mir so aufgefallen ist. Das Artikelbild ist das Dach einer alten schwedischen Sauna (“bastu”), die allerdings schon lange nicht mehr in Benutzung ist. Wir haben sie in unserem Urlaub letztes Jahr entdeckt.

Kettenbriefe

Ich mag ja keine Kettenbriefe – und das ist noch geschönt ausgedrückt. Ein paar dieser Ideen sind ja irgendwie ganz nett, aber das Prinzip basiert aus meiner Sicht doch zu sehr auf Zwang, und das mag ich nicht. Aber eventuell kann man die ja auch “hacken”, wie Edward Snowden sich ausdrücken würde.

Nachdem mich ein Freund für einen aktuellen Kettenbrief auf Facebook “nominiert” hat, habe ich die Bedingungen einfach mal leicht verändert. Das Ziel war ursprünglich: “Zehn Tage, zehn Fotos unseres täglichen Lebens in schwarz/weiß. Keine Erklärung. Keine Menschen. Fordere jeden Tag eine/n neue/n Freund/in auf, mitzumachen. Hier meine Nr. x von 10. Ich nominiere heute …”

Ich mache mit, da ich gerne fotografiere.  Aber bei mir lautet die Regel nun etwas anders: Zehn Tage, zehn Fotos unseres täglichen Lebens in schwarz/weiß. Keine Erklärung. Keine Menschen. Aber mit bösartigem Affiliate-Link: https://amzn.to/2We2WgK :-) Wer Lust hat, macht einfach mit. Dies ist Nummer 1 von 10.

LOL!

Frihet under ansvar

Der schwedische Sonderweg in der Corona-Krise war und ist immer wieder ein Thema in den Medien. Einen interessanten Beitrag habe ich hier gefunden. Darin geht es mal wieder um den schwedischen Sonderweg.

Die vielleicht wichtigste Erkenntnis darin ist ein Zitat des obersten schwedischen Epidemiologen:

Was hier in Schweden funktioniert, muss nicht in anderen Ländern funktionieren. (Anders Tegnell)

Denn Schweden ist keineswegs, wie viele andere europäische Länder, extrem dicht besiedelt. Das gilt gerade mal für ein paar Ballungszentren, aber nicht auf dem Land. Warum sollte man einheitliche Regeln erlassen, wenn der eine in Stockholm und der andere in einem einsamen Haus mitten im Wald lebt? Statt dessen definiert Schweden Empfehlungen, aber nur selten Gesetze, um mit dieser Krise umzugehen. Vielleicht ist der Unterschied, dass die Schweden schon in der Schule zum eigenständigen Denken erzogen werden, während wir in Deutschland den Eindruck haben, in erster Linie abfragbares Wissen zu pauken.

Frihet under ansvar, Freiheit unter Verantwortung, das ist laut diesem Beitrag die Lebensweisheit des Nordens. Ein Sonderweg vielleicht, aber kein schlechter, wie ich finde.

Doch möglicherweise ist nicht der schwedische Weg der Sonderweg, sondern die deutsche Art, das Volk durch Gesetze und Verordnungen bei der Stange zu halten. Weil wir unvernünftig sind, und weil wir das brauchen.

Strafe muss sein

Zu dem vorherigen Beitrag passt auch sehr gut das Thema “Straßenverkehrsordnung”. Der ADAC hat die aktuellen Änderungen, die bereits am 28. April in Kraft getreten sind, zusammengefasst. Der Titel des Beitrags lautet “Härtere Strafen”, und das scheint auch das einzige zu sein, was darin enthalten ist.

So wird zum Beispiel die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit früher bestraft, und innerorts ab 21 km/h zu schnell (außerorts ab 26 km/h) gibt es bereits 1 Monat Fahrverbot. Das Durchfahren der Rettungsgasse wird hart, besonders für die, die sich an Rettungsfahrzeuge dranhängen.

Etwas seltsam mutet es allerdings an, dass bereits das Halten (keineswegs das Parken) in zweiter Reihe 55 € kosten kann, bei Behinderung noch mehr. Das betrifft offenbar auch nur sekundenlanges halten, um jemanden z.B. an einer Arztpraxis herauszulassen.

Schwierig wird auch die Verpflichtung, einen Mindestabstand von 1,50 m beim Überholen von Radfahrern und E-Scootern einzuhalten. Bedenkt man die Schlangenlinien, die dabei gelegentlich gefahren werden, bleibt fast nur das Ausweichen in den Gegenverkehr – oder hinterher zuckeln. Das hat bestimmt lustige Hupkonzerte zur Folge, wenn nicht Schlimmeres.

Und Blitzer-Apps auf dem Smartphone und Navis sind nun verboten. Anscheinend dienen Radargeräte also doch nicht primär der Verkehrssicherheit, wie immer gern behauptet wurde, sondern eher als Einnahmequelle für den Staat. Man beachte auch hier den schwedischen Sonderweg: Zwar sind solche Geräte auch in Dänemark und Schweden verboten, jedoch habe ich in Schweden noch nie (!) einen festinstallierten Blitzer gesehen, der nicht mindestens 200 m vorher durch ein entsprechendes Warnschild angekündigt wurde. Das würde ich “Verkehrssicherung” nennen.

Captain on deck!

Symbolbild (travelspot auf Pixabay)

Manchmal, selten allerdings, herrscht auch auf Picards Enterprise ein rauher militärischer Umgangston. Dann nämlich, wenn irgend ein hohes Tier oder Botschafter an Bord ist, und der Captain mit diesem (oder dieser) die Brücke betritt. Dann brüllt irgendein Offizier “Captain an Deck!” und alle stehen stramm, bis besagter Captain den Befehl “Rühren!” erteilt. Wenn der Dienst an Bord allerdings ohne Besucher verrichtet wird, geht es auf der Enterprise deutlich lockerer zu. Auch der militärische Gruß entfällt oft zugunsten eines im Vorbeigehen zugerufenen “Captain!”, das dieser mit der Nennung des Rangs des Untergebenen quittiert. Ohne unnötige Förmlichkeiten, ohne Hand an der Mütze.

Präsenzkult nennt es Marcus Raitner in seinem Beitrag Der Kapitän gehört auf die Brücke. “Weil es echte Arbeit nur im Büro und nur unter Aufsicht geben kann.” Doch kann man eine Führungskraft in einem Unternehmen tatsächlich mit dem Kapitän an Bord eines Schiffes vergleichen?

Dass seit etwa zwei Monaten auch ein ganz anderes Führungsprinzip ausprobiert wurde, ist vielen vielleicht nicht bewusst, die in ihrem Kontrollzwang die persönliche Anwesenheit als einziges probates Mittel sehen, von ihren Untergebenen die verlangte Leistung zu bekommen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ist das wirklich so? Natürlich meint Marcus Raitner das nicht so, wie es oben dargestellt wurde. In dem Blog Führung erfahren geht es oft um Führungsstile, gut und schlechte. Er zitiert dabei eine Aussage von Stanley McChrystal (Übersetzung von mir): “Die Verlockung des Führens wie ein Schachgroßmeister, der jeden Spielzug der Organisation kontrolliert, muss der Art weichen, wie ein Gärtner arbeitet: Mehr ermöglichend als lenkend.”

Würden Aufgaben wirklich einfach nicht erledigt, wenn der Chef nicht ständig mit der Peitsche hinter uns steht, dann würden viele Unternehmen schon lange nicht mehr funktionieren. Homeoffice gab es auch schon vor Corona, und Selbständige und Freiberufler machen ja schon vom Prinzip ihrer Unternehmerschaft her Homeoffice. Wie oft sitzt ein freiberuflicher Softwareentwickler tatsächlich im Büro seiner Kunden? Und trotzdem wird die Arbeit getan, ganz ohne Peitsche.

Oft genug ist auch der Gruppen- oder Abteilungsleiter fast nur noch in Meetings präsent, und kümmert sich nur ab und zu (in einem Meeting natürlich) mal darum, was seine Leute so alles machen. Und was in der mittleren Führungsebene gilt, gilt in verstärktem Maße auch für den obersten Lenker eines Großunternehmens. Es hieß, der alte Herr Braun, Gründer der Firma Braun in Melsungen, habe damals tatsächlich noch jeden seiner Mitarbeiter persönlich gekannt! Von welchem “CEO” kann man das heute noch sagen? Da ist Vertrauen sicherlich notwendig, und vor allem weit besser als Kontrolle.

Vielmehr ist es die Aufgabe von Führung, für einen guten Rahmen für die Selbstorganisation zu sorgen, so wie ein Gärtner für seinen Garten achtsame und geduldige Sorge trägt.

Kontrolle, Kontrolle!

Datenflut (Symbolbild, Autor: Gerd Altmann auf Pixabay)

Als ob die NSA, GCHQ, und vermutlich auch der BND uns nicht schon genug überwachen würden, muss nun auch Norwegen in das Spion-Business einsteigen. Der “Geheimdienst soll Metadaten aus Telefon- und Internetnutzung für 18 Monate speichern dürfen”. Metadaten, das beantwortet Fragen wie “wer mit wem?”, “wann?” und “wie lange?”, indirekt also auch “wie oft?”. Telefon, eMail, Webseitenaufrufe, alles liefert Metadaten, die auch dann sehr aussagekräftig sein können, wenn vom Inhalt eines Gespräches oder einer Mail nichts gespeichert wird. Aber wer weiß schon, was so alles gespeichert wird?

Der Artikel erschien auf Netzpolitik.org übrigens am 4. Mai, quasi mitten in der Corona-Krise. Was nicht den Artikel diskreditiert, sondern die Vorgehensweisen. “Der Vorschlag sei nicht absichtlich inmitten der Corona-Krise vorgelegt worden, um eine kritische Debatte über das Gesetz zu verhindern, betont der konservative Politiker [Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen, Anm. d. Red.]”

Schweden und Dänemark täten das auch schon, da will Norwegen natürlich nicht zurückstehen. Was der Geheimdienst so alles weiß, weiß man halt nicht, daher ja der Name. Aber man weiß, dass in Schweden bereits seit langem die Gehälter transparent sind, näheres dazu auch hier. Augenscheinlich sind die nordischen Länder uns in Sachen Datentransparenz weit voraus, während wir uns mehr um den Datenschutz kümmern. Je nach Blickrichtung kann man das entweder Paranoia oder Naivität nennen. Es ist sicher nicht so schlimm, wenn Norwegen zukünftig alle Internetkommunikation speichert. Je mehr man hat, desto besser ist das. Man weiß ja nie, wann man mal jemandem was anhängen muss.

Ach nein, echt? Terrorismus? Russland? Ja, zunächst sicher. Aber was man einmal hat, das hat man.

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1 Kommentar

  1. Vielen Dank für die Empfehlung meines Beitrags! Auch die schwedische Haltung “Freiheit unter Verantwortung” ist mir schon aufgefallen und finde ich dazu sehr gut passend.

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