Letzte Änderung am 7. September 2022 by Christoph Jüngling
Vor der Cloud warnen viele, aber oft ist das nur eine gewisse allgemeine Warnung. Denn was im Netz gespeichert wird, kann auch von anderen gelesen und verändert werden – zumindest theoretisch. Man kann zwar Schutzmaßnahmen dagegen anwenden, aber nur allzu oft macht man es nicht.
Gegen die allgemeinen Warnungen habe ich nichts, habe ich doch selbst vor einigen Jahren bereits einen solchen Artikel veröffentlicht. Daher an dieser Stelle nochmal zwei Warnungen, weil ich genau dies persönlich erlebt habe.
Die Tropfenkiste und die verlorenen X-Files
Synonyme sind alles, um Aufmerksamkeit zu generieren. Konkret geht es bei der Tropfenkiste um Dropbox, und die X-Files sind in Wirklichkeit LATEX-Files gewesen.
Wie schon 2014 geschrieben, habe …
(…) ich selbst (…) vor einiger Zeit bemerkt, dass (…) Dateien (…) ohne Fehlermeldung einfach nicht in den Dropbox-Speicher gelangten und folglich nicht mit meinem anderen Rechner synchronisiert werden konnten.
Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass keineswegs alle Dateien aus dem Verzeichnis verschwunden waren. Es handelte sich bei den Verlusten um einige LATEX-Dateien (*.tex
), wiederum keineswegs alle. Offenbar bestand nur bei solchen Dateien ein Problem, die einen gewissen Anteil an LATEX-Kommandos beinhalteten.
LATEX-Kommandos zeichnen sich durch einen einleitenden Backslash aus, gefolgt von Begriffen, die manchmal in Wörterbüchern stehen wie \label
, \index
oder \section
. Manchmal ist das aber auch nicht der Fall, wie z.B. bei selbst geschriebenen Makros wie \figref
, dem vordefinierten \gls
(das nichts mit dem Paketdienst zu tun hat) oder \emph
. Ich vermute nun, dass bei einem hinreichenden Anteil unverständlicher Worte ein Algorithmus zugeschlagen hat und entweder die Datei von vornherein gelöscht hat, oder sie zur weiteren Analyse an einen menschlichen Bearbeiter sandte.
Eine solche Überprüfung kostet natürlich Zeit, und danach sind die Dateien immer noch verschwunden. Auch wird keineswegs eine Entschuldigung im Stile “Sorry für die Verzögerung, wir haben ihre Daten geprüft und konnten keinen Verstoß gegen unsere Richtlinien finden – herzlichst ihre NSA” geschickt. Das wäre ja blöd, dann würde die ganze Überwachung ja auffliegen. Aber irgendwann später funktionierte dann plötzlich alles.
Evernote und das höllische Bier
Dass ein Bier irgendwas mit “Hell” oder “Dunkel” im Namen trägt, ist im Deutschen nicht ungewöhnlich. Auch der Name des Ortes, in dem die Brauerei steht, wird bei dieser Gelegenheit oft verwendet, denken wir nur an “Warsteiner”, “Andechser” oder “Düsseldorfer Alt”. Eine Brauerei in dem bayerischen Ort “Fucking” ließ sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen und nannte ihr Bier “Fucking Hell”. Was vom Ortsnamen her keineswegs unlogisch erscheint, weckt andernorts schon mal ein Stirnrunzeln. Oder halt – wie bei mir – ein Schmunzeln. Manch einer mag es auch als unanständig bezeichnen, bei “fucking” jedenfalls hört für die Amis der Spaß auf.
Das dürfte auch der Grund gewesen sein, dass der Zeitungsartikel, den ich als Screenshot im Netz fand, in Evernote leider nicht einfügbar war, denn Evernote ist ein amerikanisches Unternehmen. Eigentlich wollte ich nur – wie ich das oft tue – dieses nette Wortspiel mit der Original-Quelle zusammen abspeichern, natürlich unter dem Titel “Fucking Hell”. Doch es ging nicht.
Es gab seltsame Fehlermeldungen, die zunächst keinen Hinweis auf die wahre Ursache des Problems zuließen. Ein technischer Fehler war zu vermuten, denn meine Notizen in Evernote bestehen zum überwiegenden Teil aus Text. Eine Grafik ist nur selten darunter, es hätte also daran liegen können. Vielleicht war die Bilddatei auch zu groß? Als Softwareentwickler gehen einem sofort zahlreiche mögliche Ursachen durch den Kopf, man ist halt auf diese Art der Fehlersuche trainiert.
Ich versuchte es erst mit einer anderen Notiz, die ebenfalls aus dem Titel und einem Bild bestand – kein Problem. Doch nach wenigen Minuten und weiterem Herumprobieren war dann klar, dass entweder der Zeitungsausschnitt selbst (OCR ist eine bekannte Fähigkeit der Evernote-Software) oder der Titel der Notiz das Problem war. Ich wandte mich an den Support und erklärte, dass es sich bei dieser Notiz einfach nur um eine saubere Recherche handele und niemand beleidigt würde.
Um es kurz zu machen: Es dauerte einige Wochen. Ich weiß nicht mehr, ob Evernote sich überhaupt zu dem Problem geäußert hat, aber irgendwann probierte ich es nochmal, und plötzlich ging es. Das war übrigens ebenfalls in 2014, die Notiz ist heute (2020, Update: auch im September 2021, ebenso im September 2022) immer noch enthalten.
Fazit
Unverständliches Kauderwelsch in (nur mit einer anderen Person geteilten) Textdateien, vermeintlich beleidigende Aussagen in meinem privaten (!) Notizbuch, wer denkt da nicht sofort an Zensur? Aber auch jenseits aller Verschwörungsmythen wären spätestens die Veröffentlichungen von Edward Snowden Grund genug, sich über Cloud-Dienste gewisse Gedanken zu machen.
Die obigen Erfahrungen passen perfekt in das Bild. Es fällt auch auf, dass mit dem Aufkommen dieser Dienste immer mehr Anbieter immer mehr Datenmenge kostenlos angeboten haben. Microsoft (denen Dropbox gehört) Dropbox Inc. und Evernote sind US-amerikanische Unternehmen, der Patriot-Act ermöglicht solche Eingriffe und verbietet gleichzeitig eine ehrliche Unterrichtung der Anwender.
Da soll man nicht misstrauisch werden?
3 Kommentare
Du hast natürlich Recht.
Darum sorry, wenn mein Kommentar etwas am Thema vorbei geht :-)
Doch den vielen Cloudverweigerern höre ich schon nicht mehr zu, sobald sie einen USB-Stick am Schlüsselring haben. Und wenn sie dann noch stolz behaupten, auf dem Stick wäre ja alles verschlüsselt, frage ich auch nicht mehr nach, warum das bei einer Cloud nicht gehen soll.
(Das ging mir gerade durch den Kopf, weil mir – einem Cloudnutzer – der blanke Irrsinn unterstellt wurde.)
Autor
Oh, sorry, das war mein letzter Wissensstand. Inzwischen (wieder?) eigene Firma Dropbox Inc.
Die Aussage Dropbox gehört Microsoft ist nach meinem Kenntnisstand nicht korrekt.